Image Categories

Bamberg
10. Sep — 10. Okt 2021

XOOOOX – Der Name lässt sich als eine beliebige Buchstabenabfolge, aber auch als eine grafische Konstruktion lesen: zwei schrankenartig gestellte X, die spiegelbildlich vier O einfassen. XOOOOX ist ein exakt auf Stil und Intention zugeschnittenes Pseudonym für einen in der Berliner Kunstszene groß gewordenen Urban Artist.

Sein wahrer Name ist unbekannt, sein Geburtsjahr darf irgendwo um die Entstehung des ersten Urban Art-Stencils (ein mittels Schablone gesprühtes Bild) angesetzt werden. XOOOOXs Werke waren, für Urban Art charakteristisch, zunächst vor allem auf Außenwänden in europäischen Metropolen zu finden. Mittlerweile zieren sie auf unterschiedlichen Bildträgern private Interieurs und öffentliche Sammlungen.

Als 15-Jähriger steigt XOOOOX in die Graffiti-Kunst ein. Auf diesem Weg kommt er in Berührung mit den Tags und Murals der ersten Generation von Urban Artists. XOOOOX begeistert sich für diese von Dada und Pop Art herrührende Kunst und deren Strategien. Dazu gehören die Veränderung von Kontexten, die Befreiung von Inhalten, Hinweise auf die Vergänglichkeit und eine verschmitzte Kritik an der Konsumwelt. Mit all dem setzt sich XOOOOX intensiv auseinander und erschafft seine ersten Paste-ups in den Berliner Straßen. Er verwendet vergrößerte Zeitschriftenausschnitte, die durchgestylte Models und Markenwerbungen zeigen. Doch das dünne Papier – lediglich mit Kleister fixiert – löst sich in der Witterung schneller als beabsichtigt auf. Ein Umdenken ist notwendig. In dieser Situation kommen XOOOOX die Tätigkeit als Graphikdesigner und die Modezeitschriften seiner Schwester zugute.

Nach errungener Street credibility wendet er sich ab 2005 dem Schablonengraffiti zu. Im selben Zeitraum wandelt Blek le Rat, der als Urvater der Urban Art gilt, Methoden von Dada und von Pop Art für die Straße um und verzeichnet damit große Erfolge. Blek le Rat verbreitet seine Ratte – gleichsam Schlagwort, Signatur, Bild und Botschaft – erst in ganz Paris, dann mithilfe von Schablonen in Schwarz und/oder Weiß weltweit. Mit seinen Stencils ist er im quirligen urbanen Raum dauerpräsent. Auch Banksy wird in diesen Jahren von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Ab 2005 beginnt der Autodidakt XOOOOX, Schablonen für seine kleinund großformatigen Werke anzufertigen, die er hauptsächlich mit schwarzer Sprühfarbe ausführt. Der Künstlername XOOOOX lässt sich unmittelbar in den Kontext der Urban Art einordnen. Das Pseudonym wirkt wie ein in sich geschlossenes grafisches Werk.

In XOOOOXs Kunstwerken finden sich verschiedene Varianten der Signatur: mal willkürlich im Bildraum verteilt, mal als eine Art Sprechblase oder funktional als Passmarker ergänzen sie die Kompositionen auf porösen Straßenfassaden. Dabei deutet der Urban Artist XOOOOX unter anderem auf die Vergänglichkeit der dargestellten Models aus Modezeitschriften hin. Nicht selten erhalten seine Protagonistinnen weitere Attribute oder ästhetische Anreicherungen, die für Aufmerksamkeit sorgen und die Passanten im öffentlichen Raum zur Auseinandersetzung auffordern. Der Einfallsreichtum zeigt sich auch in XOOOOXs Werken.

Die Bamberger Galerie AOA;87 zeigt unter dem Titel Image Categories ein facettenreiches Spektrum von XOOOOXs Kunst. Zu dieser Bandbreite gehören die vergrößerten, vielfarbigen Ausschnitte aus Modezeitschriften. Sie erinnern an Marcel Duchamps Methode, mit der der Künstler eine Postkarte mit einer Reproduktion der Mona Lisa übermalte. Vorbilder für XOOOOX könnten auch der deutsche Urban Art Pionier aus Köln, bekannt unter dem Pseudonym der Bananensprayer, und der britische Popstar der Szene, Banksy, sein. Die in der Ausstellung gezeigten Kombinationen entstehen durch die Übersprühung bestehender oder explizit für die Umdeutung angefertigter Bilder.

Wie das Werk „Ejsa (Spin)“ beispielhaft vor Augen führt, können die Werke den ästhetischen Geschmack aufrütteln. Die Umkehrung von Oben und Unten spielt eine bedeutende Rolle. Der Künstler reißt die farbigen Abbildungen von Zeitschriften-Models aus ihrem Kontext, indem er sie kopfüber auf weißen Hintergrund stellt. Zudem stellt er ihnen schwarz aufgesprühte Pendants gegenüber und löst die Protagonistinnen somit aus dem zuvor zugewiesenen Inhalt. Die Kraft der Darstellungen erinnert an Georg Baselitz’ Verstoß gegen die (Schwerkraft-) Regel, an Nam June Paiks kombinativ-ironische Umpolung oder an Bruce Naumans Umkehrungstechnik, die die Sinneswahrnehmung irritiert. Ferner lässt sich ein Kontrast zwischen Schwarz und Weiß, zwischen warmer Hautfarbe und weißer Kälte beobachten.

In weiteren Werken der Ausstellung ist die Überwindung der Ränder ein zentrales Thema: so zum Beispiel im Werk mit konzeptuell arrangierten Keilrahmen. Darüber hinaus veranschaulicht eine Zerstückelung der Stencils das schöpferische Spiel mit den physikalischen Gesetzen. Hier klingt der konstruktive Ansatz Piet Mondrians nach.

21 Mit der Verwendung weiterer Farben steigert XOOOOX die ästhetische Wirkung der üblicherweise schwarz-weißen Stencils. Die Motive auf verschiedenen Bildträgern erweitern dabei auch die Kategorien der Urban Art. Der Hintergrund hat im Werk „Georgia (Werku)“ seine Monotonie verloren und ist mittels unterschiedlich gesetzter Farben tonal- wie bewegungstechnisch dynamisiert. Zentrale Motive sind wieder aus Modezeitschriften entsprungene oder im Atelier posierende Models fotografiert und überführt. Entsprechende Werke aus dem Schaffensprozess des Künstlers präsentiert die Galerie AOA;87 ebenfalls.