AOA

Viele Schichten

Bamberg
01. Jan — 02. Jan 2023

Der 81-jährige, in Dessau geborene Imi Knoebel, mit bürgerlichem Namen Klaus Wolf Knoebel, gilt seit vielen Jahren weltweit als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler, bekannt für seine konsequent minimalistisch-abstrakte Formensprache.herausragender zeitgenössischer Künstler. Obwohl sich seine Werke eingrenzender theoretischer Konstrukte entziehen und der Künstler selbst „Freiwillig […] sowieso nichts“ dazu sagen will, verrät er in seltenen Interviews Details, die hellhörig machen.

Der Beuys-Schüler Imi Knoebel bezeichnet sich selbst als Maler. Mehrfach erwähnte er seinen prominenten Lehrer und widmete ihm eine Hommage mit dem Titel „Joseph Beuys – 24.01.1986“. Damit bekundet Knoebel indirekt seine künstlerische ‚Abstammung‘. Fast genauso häufig betont der Maler die prägende Rolle von Kasimir Malewitschs „Schwarzes Quadrat“. In der Kunstgeschichte hält sich die These, dass Knoebel von diesem Vorbild ausgehend neue Ansätze und Interpretationen in der Abstrakten Kunst entwickelt hat. Demnach hat sich der junge Kunststudent, angeregt von Malewitschs „Ikone der Moderne“ (K.M.) und Beuys’ Veränderung des Kunstbegriffs, ähnlich wie seine Kommilitonen Imi Giese (Rainer Giese) und Blinky Palermo (Peter Heisterkamp) um „eine Art konzeptuelle Minimal-Strömung“ bemüht.

Scheinbar ‚minimalistisch‘ präsentiert Knoebel ein ganzes Arsenal an Gestaltungsmitteln, die primär in Farbe, Pinselstrich und Bildträger aufgeteilt werden können. Die „ästhetische Präsenz“ der Werke – ob klein, groß oder in Kombination – beeindruckt dabei immer wieder. Bereits beim ersten Hinsehen fällt die „Verknüpfung von visueller Strahlkraft und formaler Schärfe“ auf. Eine weitere Besonderheit spricht Franz-Joachim Verspohl an. Seiner Ansicht nach beansprucht „das Kunstwerk eine Eigenexistenz […] und nicht allein für den Betrachter geschaffen“. 

Die Kunstwerke im Œuvre Knoebels haben viele ‚Gesichter‘: Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Projektionen, Installationen, Fundstücke und Bildvarianten. In der Vielfalt lassen sich wiederkehrende Muster erkennen. Trotzdem verweigert der Maler die Festlegung auf eine Botschaft. Knoebel formuliert es im Gespräch mit Johannes Stüttgen wie folgt: 

Ich kann nichts dazu sagen, eigentlich will ich auch nichts dazu sagen. Ich weiß nur, dass es eine unendliche Geschichte ist, dieses Wollen, dieses Sich-Ausdrücken, dieses In-die-Welt-Setzen, dieses Neu-Stellen, ohne es geprüft zu haben […] ich habe ja keine Rechenaufgabe gelöst […] einfach Experimente gemacht, fast wie im Mittelalter die Alchemisten.“

Bei aller Offenheit und Selbststilisierung als Alchemist erwähnt Knoebel im weiteren Gespräch „Vorläufer“. Der Rückbezug wird jedoch nicht konkretisiert, sondern löst sich im Abstrakten auf: „Ich stelle Dinge her, die sich Kunst nennen. […] Ja, sie haben ja Vorläufer – und das nannte man Kunst, und das nennt man Kunst, die ganze Kunst davor, diese tausend Jahre und noch länger.

Der Maler sieht seine Werke als Bestandteil eines Jahrtausende alten Beziehungsgeflechtes. Auch im hochabstrakten Medium der Kunst ist es möglich und legitim, sich auf Vorläufer zu beziehen. Die Beobachtung steht jedoch unter der paradoxen Voraussetzung, nicht sehen zu können, was man im Sinne eines Gegenstandes sieht. Dieses Paradox kann, wie Knoebel andeutet, eine Erkenntnis aus der Begegnung mit seinen Werken sein: „Außerdem wissen die meisten gar nicht, was das ist, was sie sehen. Es erschließt sich ja erst viel später, für manche gar nicht.

Mit der Ausstellung „Viele Schichten“ lädt AOA;87 vom 5. März bis 30. April 2022 dazu ein, sich Imi Knoebels Ausdruck-Willen zu nähern. In der Werkschau der Galerie wird besonders anschaulich, dass entscheidende Veränderungen in der Entwicklung der Künstlerpersönlichkeit Imi Knoebel nicht in eine lineare Progression gezwängt werden dürfen. Parallelexistenz, Wiederaufgreifen und Erweitern kennzeichnen das Werk. 

Die Galerie AOA;8 präsentiert die Auswahl aus dem heterogenen Œuvre des Künstlersohne chronologische Ordnung. 

Das großformatige Werk „Sandwich 2004-06“, 2004 verweist mit der Wahl der verwendeten Materialien auf frühere Etappen im Œuvre, beispielsweise auf „Raum 19“, ein Objekt, bei dem Imi Knoebel Hartfasern mit Gestaltungsprinzipien wie Schichtung, Reihung und Stapelung bearbeitet hat. Um es mit den Worten Henning Schapers zu beschreiben:

Es „erfolgt die Ausdehnung des Bildes über das verdoppelte Volumen in den Raum. So lohnt sich bei Knoebel der Blick auf die Kanten und Seiten des Bildes, denn manchmal lassen sich derart subtile Bildschichtungen und Staffelungen nur an den Rändern erkennen. Über die nur seitlich sichtbare Farbschicht wird eine „Aura“ generiert.

Auf dieses Werk folgen weitere Highlights. Sie offenbaren die Materialerweiterung, die Imi Knoebel seit den 1990er Jahren vollzogen hat – vermehrt setzt er von da an Aluminium als Malgrund ein. 

Bei den Bildern aus der Serie „Anima Mundi“ entsteht durch die Verwendung der Kunststofffolienstreifen eine Bildunterteilung in geometrische Farbfelder. Verwandt sind sie mit den Grace Kelly-Bildern, zu denen Crone und Moss schreiben: 

In Knoebels Bildern fehlen jegliche darstellenden Elemente, sie sind eine von Farbe ausgefüllte Leere.

Die Werke „Gartenbild“, 2015 und „Münchner Bilder“, 2017/18 hingegen machen Assoziationen mit geometrischen Formen unmöglich. „Gartenbild“ knüpft an die Messerschnitte-Phase an und veranschaulicht einmal mehr die Varianz der künstlerischen Ansätze im Œuvre Knoebels.

Die Anfänge Knoebels stehen unter dem Zeichen der Beschränkung auf Schwarz und Weiß. Als eine Anknüpfung an eine rhythmisierte, friesartig progressive Reihung aus dem Jahr 1972 in der Baden-Badener Kunsthalle lässt sich die mehrteilige Arbeit „Nummer 1B.8B“, 2011 deuten. Der Weg in die Farbigkeit ergab sich aus der Zusammenarbeit mit Blinky Palermo und setzte 1975 mit den ersten Werken (in Grün) ein. Erst mit dem Tod des Künstlerfreundes, den Knoebel ein „Meister der Farbe“ nannte, und der Hommage „24 Farben – für Blinky“ kam „die persönliche erste Aneignung, welche die systematische Untersuchung des Gesamtthemas ‚Farbe‘ erst eröffnen sollte […] frei sind nicht nur die Farben, sondern auch die Formen und Formate“. Diesen und weitere kunsthistorische Rekurse gibt es in dem Zusammenhang viele, so auch die in der Literatur oft thematisierte Annahme, Knobel antwortete auf Barnett Newmans „Who’s afraid of Red, Yellow and Blue“. Die Galerie AOA;87 lädt die BesucherInnen ein sich auf eine freie ästhetische Wahrnehmung einzulassen.

Imi Knoebel, Nummer 1-8 ; 2011, acrylic on aluminium, 8 piece, 38,4 x 338,2 x 1 cm
Imi Knoebel, Big Girl K.3, 2019, acrylic on aluminium, 41,3 x 43 x 3 cm
Imi Knoebel, Sandwich 2004-06, 2004, acrylic on plywood, 121 x 242 x 2 cm
Imi Knoebel, Anima Mundi 76-3 Ed. III, 2009/2019, acrylic on plastic film, 39 x 33 cm, Edition 3